„You learn most from the unexpected.” Mit diesen Worten hieß Linde Wotton uns Teilnehmenden willkommen zum 18. Internationalen Symposium der Group Analytic Society Internation (GASi) im August 2023 in Belgrad. Und Unerwartetes geschah.

In einem der vielen interessanten Workshop sammelten wir Metaphern und Sprachbilder, übersetzen, erklärten, entdeckten Unterschiede und Ähnlichkeiten. „Ach, bei Euch heißt es eine Schneeflocke macht noch keinen Winter.“ Mitten in diesem kreativen Prozess klingelte ein Handy. Das Gespräch stockte, erstarb. Schweigen. Wer hat da sein Handy nicht ausgeschaltet? Eine Teilnehmerin wandte sich einer anderen zu: „M., gibt es Luftalarm in Deiner Stadt?“ Die Fragende, auch eine Ukrainerin, hatte den Raketenalarm einordnen können. Ihre Frage löste eine andere Art von Schweigen aus. Langsam begriffen wir, dass eine Bombe in unsere Gruppe geplatzt war. Das bisher Übersehene war nicht mehr zu überhören. Der Krieg in der Ukraine war und ist ein Teil unserer Realität. Zusammen konnten wir, zunächst zögerlich, besprechen, welche Gedanken und Gefühle der Alarmton bei uns ausgelöst hat. Bei den Ukrainerinnen und den Russen in der Gruppe. Bei uns aus Ost und West, Süd und Nord. Bei uns mit unterschiedlichen Erfahrungen mit Krise und Krieg. Wir hörten zu, teilten, fragten nach, nahmen Anteil, gaben Raum. Es war ein ehrlicher, ein respektvoller Dialog. Bei uns Nicht-Ukrainerinnen und Nicht-Ukrainern blieb ein Gefühl von Scham, von Lücke, von Nicht-Verstehen. Einer aus der Gruppe artikulierte dieses Unbehagen stellvertretend für viele. Für M. und ihre ukrainische Kollegin war unser Dialog jedoch sehr wichtig gewesen. Wir waren Zeug*innen geworden. Gemeinsam hatten wir als Menschen unsere Gefühle geteilt. Für die kurze Zeit des Symposiums waren wir zusammen in Sicherheit, konnten in diesem sicheren Raum teilen und Anteil nehmen. Wir hatten uns als eine internationale, diverse, anfangs geteilte Gruppe verbinden können. Nein, es war nicht alles gut nach diesem Gespräch, wie kann es auch angesichts dieses Krieges, angesichts von Kriegen und Krisen weltweit. Und doch hatte das Unerwartete dieses tiefe Gespräch, diese Begegnung ermöglicht. Wir als Gruppe hatten Schweres und Schwieriges miteinander geteilt. Zuvor Getrenntes hatten wir miteinander verbunden. Zum zweiten Teil des Workshops am nächsten Tag waren alle Teilnehmende wieder da. Die Arbeit zu den Metaphern und Sprachbildern wurde produktiv fortgeführt.